Die Novelle des Energiesicherungsgesetzes (EnSiG), die im Mai den Bundesrat passierte, werden unter anderem weitreichende Möglichkeiten einer Treuhand und Enteignung von Unternehmen mit kritischer Infrastruktur geschaffen. Daneben gibt das EnSiG den Lieferanten zukünftig unter anderem ein einseitiges Preiserhöhungsrecht gegenüber ihren Kunden, falls sie wegen fehlender Gasmengen teuer am Markt nachkaufen müssen.
Es bestehen daneben verfassungsrechtliche Bedenken gegenüber den neuen Regelungen des EnSiG. Daher ist eine grundsätzliche Klärung vor dem Bundesverfassungsgericht wohl sinnvoll, um juristisch zu prüfen, inwieweit der Staat überhaupt auf Marktmechanismen zur Sicherung der Energieversorgung setzen darf. Dabei ist auch zu bedenken, dass fraglich ist, ob der Gesetzgeber zulässigerweise ein gesetzliches Preisanpassungsrecht in dieser Form regeln durfte. Insbesondere da eine Reihe der Regelungen in den Grundversorgungsverordnungen (GVV) sowie im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) auf EU-Recht beruhen.
Das gesetzliche Preisanpassungsrecht nach § 24 EnSiG soll den Lieferanten vor einer drohenden Insolvenz bzw. erheblichen Vermögensverschlechterungen aufgrund von extremen Preissteigerungen, welche auf einer Gasknappheit beruhen, schützen. Dabei wird explizit auf steigende Beschaffungskosten Bezug genommen, da im Falle einer Gasknappheit mit erheblich steigenden Beschaffungskosten zu rechnen ist. Die jeweilige Preisanpassung nach § 24 EnSiG muss angemessen sein. Hiervon ist auszugehen, wenn die Preisanpassung die tatsächlichen Ersatzbeschaffungskosten widerspiegelt. Ausweislich der Gesetzesbegründung ist die Höhe einer Preisanpassung jedenfalls dann nicht als angemessen zu beurteilen, wenn sie die Kosten einer Ersatzbeschaffung übersteigt.
Ausweislich der Regelung in § 24 Abs. 2 Satz 6 EnSiG ist davon auszugehen, dass vertragliche Preisanpassungsregelungen für den Fall einer gesetzlichen Preisanpassung nach § 24 EnSiG suspendiert sind und auch das Preisanpassungsrecht nach dem EnSiG nicht zur Margenerhöhung genutzt werden darf. Fraglich ist im Rahmen der Ausübung des gesetzlichen Preisanpassungsrechts auch, ob steigende Umlagen und Abgaben neben dem gesetzlichen Preisanpassungsrecht an den Kunden weitergegeben werden können. Vor dem Hintergrund des Sinn und Zwecks der Regelung liese sich argumentieren, dass die Suspendierung vertraglicher Preisanpassungsrechte nur auf den jeweiligen Vertriebsteil, welcher die Beschaffungskosten inkludiert, bezogen ist. Im Ergebnis dürfte jedoch auch das jeweilige vertragliche vereinbarte Preissystem Einfluss auf die Beantwortung dieser Frage haben. Dabei ist zwischen (teil-)separierten- und Komplettpreisvereinbarungen zu unterscheiden. Denn nicht in jedem Fall handelt es sich bei der Weitergabe erhöhter Umlagen und Abgaben um eine Preisanpassung.
Zum Verhältnis des Preisanpassungsrechts nach EnSiG zu den Vorgaben der Grundversorgung, hat der Gesetzgeber die Regelung so ausgestaltet, dass sie auch die Kunden in der Grundversorgung betrifft (vgl. den Wortlaut „alle hiervon betroffenen Energieversorgungsunternehmen entlang der Lieferkette“). Hintergrund ist, dass im Fall einer Gasmangellage zur Aufrechterhaltung der Gasbelieferung in allen Bereichen kurzfristige Preisanpassungen nötig werden dürften. Ob und inwiefern das Preisanpassungsrecht nach dem EnSiG bei grundversorgten Kunden bzw. Haushaltskunden überhaupt relevant wird, hängt jedoch ganz maßgeblich von der Beschaffungsstrategie ab. In der Regel sind die Mengen in der Grundversorgung langfristig beschafft, so dass das Unmittelbarkeitskriterium – als eine der wesentlichen Voraussetzung der Preisanpassung – häufig nicht erfüllt sein dürfte. Das Unmittelbarkeitskriterium bedeutet, dass im Rahmen der Preisanpassung nach dem EnSiG an den jeweiligen Kunden nur diejenigen Kosten weiterberechnet werden dürfen, die aufgrund einer Ersatzbeschaffung unmittelbar anfallen. Werden darüber hinaus gehende Kosten im Rahmen einer Preisanpassung nach den EnSiG an den Kunden weiterberechnet, handelt es sich um eine unangemessene Preisanpassung.
Insgesamt werden bestehende Gaslieferverträge der Industrie und privater Verbraucher durch das Preisanpassungsrecht des EnSiG ausgehebelt, sodass davon auszugehen ist, dass diese Regelung eine Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten auslösen wird. Dabei wird es auch um die Höhe eines angemessenen Preisniveaus gehen, was jeweils einer Einzelfallbetrachtung bedarf.
Vor dem Hintergrund der zahlreichen Anwendungsfragen der Regelung ist zu hoffen, dass die insoweit bereits angekündigten Präzisierungen zeitnah erfolgen.
Ansprechpartnerin: Jill-Emmy Vaupel