Am 28. November 2024 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens in der Rechtssache C-293/23 ein weitreichendes Urteil zur sogenannten “Kundenanlage” nach dem deutschen Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) gefällt. Die Entscheidung stellt die bisherige deutsche Regelung als europarechtswidrig dar und könnte daher weitreichende Auswirkungen für Unternehmen und dezentrale Versorgungskonzepte haben.

 

Was ist eine Kundenanlage?

Eine Kundenanlage ist eine Energieversorgungsanlage, die Strom oder Gas innerhalb eines räumlich zusammenhängenden Gebiets, beispielsweise auf einem Firmengelände, einem Wohnquartier oder einer Gewerbeeinheit, an mehrere Endverbraucher verteilt (vgl. § 3 Nr. 24a / b EnWG). Eine solche Versorgungsstruktur gilt nach dem EnWG nicht als reguliertes Netz und unterliegt damit insbesondere nicht den Vorgaben zur Erhebung von Netzentgelten.

 

Warum hält der EuGH die Regelung für problematisch?

Streitgegenstand war der Anschluss von zwei Wohngebieten mit 96 bzw. 160 Wohneinheiten und jeweils mit diesen verbundenen KWK-Anlagen als sogenannte Kundenanlagen an das örtliche Verteilernetz. Der EuGH führt hierbei aus, dass der Begriff der Verteilung in der gesamten Union eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten müsse. Die einzigen Beurteilungsmaßstäbe für das Vorliegen eines Verteilernetzes seien die Spannungsebene der weitergeleiteten Elektrizität sowie die Kategorie von Kunden, für die diese Elektrizität bestimmt ist. Nach den Ausführungen des EuGH sind die Größe der Anlage, die Anzahl der angeschlossenen Erzeugungs- und Verbrauchseinheiten sowie der Betreiber der Anlage für die Einstufung als Verteilernetz nicht von Relevanz. Nach Ansicht des EuGH sind die Anforderungen an Kundenanlagen in Deutschland zu weit gefasst, was zu einer möglichen Umgehung regulärer Netzentgelte und einer Verzerrung des Marktes führen kann.

 

Was bedeutet das Urteil?

Der EuGH hat das Urteil im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens erlassen, so dass das Urteil des BGH in dieser Sache aktuell noch aussteht. Insofern ist diese Entscheidung zunächst noch abzuwarten. Es ist jedoch kaum vorstellbar, dass es in der Folge nicht zu entsprechenden Anpassungen durch den Gesetzgeber kommen werden muss. D

 

Position der Bundesnetzagentur

Die Bundesnetzagentur (BNetzA) hat in einer Veröffentlichung auf das Urteil reagiert. Sie betont, dass bestehende Kundenanlagen weiterhin betrieben werden können, solange keine gesetzlichen Änderungen in Kraft treten. Gleichzeitig weist die Behörde darauf hin, dass Betreiber und betroffene Unternehmen die weiteren Entwicklungen aufmerksam verfolgen sollten, da die Anpassung des EnWG erhebliche Auswirkungen auf den Betrieb solcher Anlagen haben könnte. Unternehmen wird empfohlen, rechtzeitig fachliche Beratung in Anspruch zu nehmen, um die neuen Anforderungen zu erfüllen.

 

Fazit

Das EuGH-Urteil kann als Arbeitsauftrag an den deutschen Gesetzgeber verstanden werden, die Regelungen zur Kundenanlage zu überarbeiten. Unternehmen sollten die Entwicklungen genau verfolgen und sich frühzeitig auf die kommenden Änderungen vorbereiten.

 

Ansprechpartnerin: Sarah Schweizer