Die Bundesregierung wurde nun endlich aktiv und hat einen Gesetzentwurf zur Neuordnung der Grund- und Ersatzversorgung vorgelegt. Damit sollen zugleich massenhafte Kündigungen bei Energielieferanten erschwert und die Preisgestaltung in der Grund- und Ersatzversorgung neu geregelt werden.  Lieferanten sollen die Beendigung ihrer Tätigkeit künftig drei Monate im Voraus anzeigen – und zwar sowohl gegenüber Kunden als auch gegenüber der Bundesnetzagentur. Die Behörde soll bessere Aufsichtsmöglichkeiten erhalten und etwa jederzeit Nachweise zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Unternehmen verlangen dürfen. Vorgesehen sind zudem Bußgelder, wenn ein Energielieferant seine Verpflichtungen nicht erfüllt, ohne einen Insolvenzantrag gestellt zu haben. Jährlich wird die Bundesnetzagentur zudem eine Liste mit allen Unternehmen veröffentlichen, die die Belieferung eingestellt haben.

 

Die Bundesregierung reagiert damit auf Vorfälle in jüngster Vergangenheit. Lieferanten wie Stromio oder Gas.de hatten ihren Kunden kurzfristig gekündigt, obwohl sie nicht zahlungsunfähig waren. Die Kunden landeten daraufhin in der örtlichen Grundversorgung. Die Grundversorger mussten durch die plötzlich gestiegene Kundenanzahl kurzfristig Energiemengen zu hohen Preisen beschaffen.

 

Als Reaktion führten zahlreiche Grundversorger Neukundentarife in der Grund- und Ersatzversorgung ein, um einerseits die Versorgung der Neukunden sicherzustellen und andererseits die Versorgung ihrer Bestandskunden nicht zu gefährden. Ob dies zulässig ist, war bislang rechtlich umstritten. Die Mehrheit der hierzu nun geführten streitigen Eilrechtsverfahren sah eine solche Tarifspaltung als zulässig an. So zumindest erstinstanzlich das LG Berlin (Urteil vom 25.01.2022, Az.: 92 O 1/22 Kart), das LG Köln (Beschluss vom 08.02.2022, Az. 31 O 14/22), das LG Leipzig (Beschluss vom 01.02.2022, Az. 01 HK O 167/22 EV) und das LG Dortmund (Beschluss vom 02.03.2022; Az.: 10 O 11/22 [EnW]). Mit der Entscheidung des OLG Köln liegt jüngst auch eine Zweitinstanzliche Entscheidung vor (Beschluss vom 02.03.2022; Az.: 6 W 10/22).

 

Nachdem sich der Gesetzgeber lange zurückgehalten hat, soll die EnWG-Novelle nun Klarheit schaffen: Generell soll dabei gelten, dass „die für die Grundversorgung veröffentlichten Allgemeinen Bedingungen und Preise nicht danach unterscheiden dürfen, wann der Abschluss eines Grundversorgungsvertrages erfolgte“. Allerdings soll ein Anspruch auf Abschluss eines Grundversorgungstarifes erst nach drei Monaten bestehen. Wird Haushaltskunden von einem Lieferanten gekündigt, sollen diese zunächst in die Ersatzversorgung durch den Grundversorger fallen. Hier sollen höhere Preise möglich sein. Es werde dem Bedürfnis von Grundversorgern Rechnung getragen, „in ihrer Funktion als Interimsversorger auch preislich kurzfristig auf insoweit gegebenenfalls höhere Beschaffungs- und Vertriebskosten reagieren zu können“, heißt es im Entwurf.

 

Die Bundesregierung begründet dies damit, dass die Entwicklung der vergangenen Monate gezeigt habe, dass die Beschaffungskosten für die langfristige Grundversorgung und kurzfristige Ersatzversorgung sich so weit unterscheiden können, dass eine Aufgabe des Gebots der Gleichpreisigkeit mit der Grundversorgung als sachgerecht erscheinen lässt. „Der Grundversorger ist berechtigt, bei der Ermittlung der allgemeinen Preise der Ersatzversorgung einen Aufschlag für erhöhte Vertriebskosten und einen besonderen Beschaffungskostenanteil vorzusehen“, heißt es daher im Entwurf der EnWG-Novelle. Wann die Änderungen offiziell ins Gesetzgebungsverfahren kommen, ist offen.

 

Ansprechpartnerin: Sarah Schweizer